Ich habe mir vor ein paar Monaten das D&D Essentials Kit mit dem Abenteuer „Dragon of Icespire Peak“ zugelegt, da ich eine befreundete Gruppe Neueinsteiger in D&D einführen wollte und auf der Suche nach einer Kampagne war, die so wenig Vorbereitung wie möglich erfordert und für Spieler und Spielleiter gleichermaßen ein einfaches Gameplay bietet. Mein erster Eindruck: Dragon of Icespire Peak bietet genau das, wenn man bereit ist, seine Erwartungen herunterzuschrauben und einige Ungereimtheiten und logische Widersprüche sowie zweidimensionale NSC entschuldigen kann.
Zunächst einmal sollte man erwähnen, dass diese Einsteiger-Box etwas um die 25 € kostet, und dabei nicht nur das Abenteuer, sondern auch ein stark reduziertes Regelwerk, eine ganze Reihe Handouts und Spielhilfen in Form von Karten, einem kleinen Spielleiterschirm sowie einen vollständigen Satz Würfel enthält. Im Vergleich zu den „ausgewachsenen“ Kampagnenbüchern von Wizards ist das für Einsteiger nicht nur ein echtes Schnäppchen, sondern eigentlich die Rollenspielversion von „Der erste Schuss ist umsonst. Dass man für diesen Preis nicht mit der Detailfülle und dem ausgefeilte Setting rechnen kann, mit dem Kampagnen wie „Waterdeep – Dragon Heist“ oder „Out of the Abyss“ aufwarten, sollte daher klar sein.
Nichtsdesto birgt „Dragon of Icespire Peak“, dass interessanterweise im Oktober schon auf deutsch erscheint, nachdem Wizards of the Coast sich im Sommer entschieden sich selbst um die Lokalisierung ihrer Produkte zu kümmern, einige Stolpersteinen, denen man sich bewusst sein sollte.
Das erste Problem, auf das ich gestoßen bin, ist das Balancing auf den unteren Stufen. Jede Begegnung der ersten drei Quests, die für niedrigere Stufen ausgelegt sind, ist auf Stufe 1 extrem tödlich und wird leicht zu einem oder mehreren toten Charakteren führen, wenn sie nicht entsprechend gehandhabt wird. Hier stellt sich mir die Frage woher ein neuer Spielleiter wissen soll , dass der Ochre Jelly oder der Mantikor, denen die Gruppe auf Stufe 1 begegnet, jeden der Charaktere ganz leicht mit einem Treffer töten können?
Das zweite Thema sind die NSC. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die vorgestellten NSC in Bezug auf Agency (die Fähigkeit eines Individuums, unabhängig zu handeln und seine eigenen freien Entscheidungen zu treffen) und Motivation (Was will der NSC und was tut sie, um es zu bekommen?) sehr gut ausgearbeitet sind. Die NSC fungieren als klassische Questgeber (so wird Harbin Wester wortwörtlich beschrieben) oder existieren als reine Handlungselemente: Adabra, die Hebamme und Apothekerin von Umbrage Hill, muss vor dem Mantikor gerettet werden, Falcon der Jäger gibt „nützliche Informationen“ weiter und Don-Jon Raskin muss zur Goldmine eskortiert werden. Mit ein wenig Aufmerksamkeit und etwas mehr Hintergrund könnten diese NSC und ihre Geschichten wirklich glänzen, aber so wie sie sind, fühlen sie sich irgendwie leb- und lieblos an.
Mein drittes (und letztes) Thema sind die Feindbegegnungen. Das Abenteuer geht davon aus, dass die Gruppe mit dem monströsen Mantikor verhandelt, statt die Kreatur zu bekämpfen, aber wenn es um humanoide Wesen wie Orks oder Werratten geht, scheint keine gewaltfreie Lösung vorgesehen zu sein. Die Orks, denen man zum ersten Mal in der Ausgrabungstätte begegnet, nachdem sie von Cryovain aus ihrem angestammten Gebiet vertrieben wurden, „kämpfen bis zum Tod“. Man könnte natürlich argumentieren, dass diese Orks verzweifelt sind und daher nicht verhandlungsbereit, nichtsdestotrotz aber es fühlt so an, als ob das Abenteuer hier auf längst verworfene und ziemlich faule Fantasy-Tropes zurückgreift von denen sich gerade D&D in der letzten Zeit endlich verabschiedet hatte. Hier sollte sich jede:r Spielleiter:in überlegen, wie diese Begegnungen intelligent und im Interesse des eigenen Gefühls für soziale Interaktion abgewickelt werden.
Ich denke, mit ein wenig Sorgfalt und Liebe kann dieses kleine Abenteuer einen wirklich netten kleinen Einstieg in das Hobby bieten, wenn sich die Spielleiter:in ein wenig Zeit nimmt, die NSC auszuschmücken, die Punkte zwischen den Quests sinnvoll zu verbinden und eine übergreifende Geschichte für Phandalin und seine Bewohner zu erschaffen.
Glücklicherweise haben sich andere diese Mühe bereits gemacht und ihre Ergebnisse bereitwillig zur Verfügung gestellt, so dass eifrige, motivierte Spielleiter:innen, sich nur noch bedienen müssen: Sly Flourish – Running Dragon of Icespire Peak
Darüber hinaus hinaus bietet Reddit nicht nur detaillierte ausgiebige Diskussionen und Informationen zu Abenteuer, sondern mit Beyond the Dragon of Icepire Peak auch direkt mögliche Fortsetzungen.